Seit nunmehr 16 Jahren finden die Fanø Classics als fester Programmpunkt innerhalb des International Kitefliers Meeting auf Fanø statt. Das sind 16 Jahre, in denen sich die Veranstaltung immer wieder verwandelt hat. Begonnen als reines Treffen für Interessierte der Tetra Eder Drachen, verwandelten sich die Classics rasch zu einem Event massgeschneidert für die Drachenhistorie. Seit 2014 wandeln sich die Fanø Classics wiederum – weg von den reinen Themen für geschichtsorientierte Drachenfreunde, hin zu mehr künstlerisch, technisch orientierten Themen.
Dies wird insbesondere dann deutlich, wenn man sich den diesjährigen Gast der Fanø Classics etwas genauer betrachtet. Die Rede ist von Ron Gibian, der 1951 in Santiago de Chile geboren, später nach Kalifornien ausgewandert ist und mit Fug und Recht als einer der ganz grossen, kreativen Köpfe der Drachenszene gilt. Sicherlich hat Gibian dieses kreative Schaffen bereits in seine Wiege gelegt bekommen, schliesslich war sein Vater ein renommierter Grafikdesigner während sich seine Mutter mit Modedesign beschäftigte. Aufgewachsen zwischen Zeichenbrett, Pinsel und Farbe lernte der Wahlamerikaner schon früh seine ganz eigene Farb- und Formensprache zu entwickeln. Eine Sprache, die er bereits in den 70er Jahren auf Drachen zu übertragen wusste und die noch heute zu überzeugen weiss. Was das Schaffen von Ron Gibian jedoch so exklusiv macht ist die Tatsache, dass sich Ron nicht nur intensiv um Form und Farben kümmert, sondern sich auch sehr genau mit der Konstruktion seiner Drachen beschäftigt. Ein näherer Blick lohnt sich auf jedes dieser Unikate denn alle sind bis in die letzte Konsequenz durchdacht und eine Meisterleistung der Ingenieurskunst. Die Drachen, die Ron auf Fanø präsentierte, wussten beispielsweise durch extra auf einem 3D Printer angefertigten Kleinteile zu überzeugen. Die Faszination “Ron Gibian” macht also die Kombination aus künstlerischem Handwerk einerseits und ingenieurtechnischen Know How andererseits aus.
Eine Faszination, die auf Fanø von neuem aufblühen sollte. Wie gewohnt gingen die Fanø Classics auch in diesem Jahr über drei Tage. Der erste Tag war dabei dem Symposium und der Ausstellung der Gibian Drachen gewidmet, der zweite Tag für den Workshop reserviert und am dritten Tag sollte das Resultat aus dem Workshop gemeinsam am Strand geflogen werden.
Am Drachenfest Mittwoch trafen sich die Interessierten also in der Schule von Nordby. Zugegeben, es hätten ein wenig mehr Besucher sein können, aber das lag weniger an Ron als viel mehr am Wetter. Denn in den beiden Tagen zuvor regnete oder stürmte es während der Strand just an diesem Mittwoch perfekte Flugbedingungen anbot. So verwundert es nicht weiter, dass viele Drachenfreunde den Strandbesuch vorzogen. Schade, denn das, was da in der Schule geboten wurde war hoch interessant. Ron hatte eine Vielzahl seiner Drachen mit im Gepäck und baute diese für die Ausstellung auf. So konnten sich die Besucher ein eingehendes Bild von dem kreativen Schaffen des Kaliforniens machen. Ein Bild, das sich im anschliessenden, zwei Stündigen Symposium fortsetzen sollte. Zur Einleitung referierte Ron kurz zu seinem Leben und Schaffen um dann schnell zu einem angeregten Dialog zwischen ihm und den anwesenden Drachenfliegern zu kommen. Dieser Dialog ist es letztendlich, der den Reiz des Symposiums ausmacht. Denn hier steht nicht ein Vortragender an einem Pult und redet auf die Versammlung ein, nein, bei diesem Symposium entsteht ein Dialog zwischen den Drachenbauern. Dies ist ein Gedankenaustausch, wie man ihn nur ganz selten in der Drachenszene hat.
Übrigens: am Strand machte ein Gerücht die Runde, dass die Classics allgemein und das Symposium im speziellen nur für geladene Gäste sei. Welch ein Blödsinn! Die Fanø Classics leben doch gerade von jedem einzelnen Drachenflieger und so ist es für die Organisatoren ungemein wichtig eine Vielzahl von Gleichgesinnten anzusprechen und zu einer gemeinsamen Veranstaltung zusammenzuführen. Also – nein, die Fanø Classics sind keine Veranstaltung für einen kleinen, elitären Zirkeln, sie sind vielmehr als eine Plattform für den gegenseitigen Meinungsaustausch gedacht – offen für alle und jeden, der sich für Drachen interessiert.
Lediglich zu einer einzigen Veranstaltung innerhalb der Classic muss sich angemeldet werden. Hier ist die Rede vom Workshop und ja, die Plätze hierfür sind begrenzt. 16 Stück waren es in diesem Jahr und bereits nach 36 Minuten waren sämtliche Plätze vergeben gewesen. Ron seinerseits tat alles um diesen Workshop zu einem Erfolg werden zu lassen. Eigens für den Workshop konstruierte er einen Drachen, den Kinnara. Wichtig war ihm dabei, dass sich der Drachen sowohl alleine als auch in Kette fliegen lässt, schliesslich steht mit dem gemeinsamen Fliegen ja noch ein weiterer Höhepunkt auf der Tagesordnung. Doch bis es soweit ist, hiess es erst einmal Ärmel hochkrempeln und Nähmaschine auspacken. Pünktlich um 9 Uhr startete der Workshop und wiederum wusste Ron Gibian zu überzeugen. Denn die Workshop Kids, die er nach Dänemark mitbrachte, waren einfach nur perfekt. Alle Paneele fertig zugeschnitten, die Kleinteile beschriftet und die Stäbe abgelängt. Mit dieser hervorragenden Vorarbeit war es dann auch nicht weiter verwunderlich, dass alle Workshopteilnehmer ihren Drachen an diesem Tag fertigstellen konnten.
So schauten alle gebannt auf den dritten und letzten Tag der Veranstaltung und wirklich, die Wettergötter waren uns in diesem Jahr wohlgesonnen. Am Freitag gab es Wind und Sonne satt am Strand und so waren nach kurzer Zeit alle Workshop Drachen in der Luft. Welch ein herrlicher Anblick und grandioser Abschluss der Fanø Classics 2016!