China Tour 17. 4. – 25. 4.2004

Tag 1 & 2: Kopenhagen & Beijing

2002 lernten wir in Dieppe den chinesischen Drachenbaumeister Pan Bohua kennen. Im Laufe der Zeit entwickelte sich hier eine richtig herzliche und innige Freundschaft und als er uns vorschlug doch einmal das Drachenfest in Weifang zu besuchen, war unsere Antwort klar. Anfang des Jahres 2004 lag dann die offizielle Einladung nach China vor und so ging es mit SAS von Kopenhagen aus direkt nach Beijing (Peking).
Um es gleich vorweg zu nehmen: diese China-Reise war wie keine andere Reise zu irgendeinem Drachenfest zuvor. Es war vielmehr ein kleines Abenteur in einem uns völlig fremden Kulturkreis, einem Land, dessen Sprache wir nicht sprachen und dessen Schrift wir nicht verstanden. Einem Land, dessen Einwohner Besuchern gegenüber zwar unglaublich freundlich und aufgeschlossen sind, aber ihrerseits westlichen Sprachen nicht mächtig sind. Obwohl wir einige Bücher zu der Kultur des Landes und den Eigenarten der Bewohner gelesen haben, so war die Ankunft im Reich der Mitte dann doch ein kleiner Kulturschock für uns.

Nach neun stündigen Flug landeten wir recht müde in der chinesischen Hauptstadt. Da wir hier eine Übernachtung bis zu unserem Weiterflug nach Qingdao hatten, musste noch etwas unternommen werden. Unsere Wahl fiel auf den Sommerpalast der chinesischen Kaiser. Dieser kann an einem Nachmittag zwar nur teilweise erschlossen werden, für eine quick&durty Tour reichte die Zeit aber. Und wir hatten Glück – am Eingang zum Sommerpalast trafen wir zufällig auf einen Chinesen, der englisch sprach und uns durch den Sommerpalast führen wollte. So tauchten wir also unter fachkundiger Leitung ein in die chinesische Geschichte…..

Gleich morgends um 8:00 Uhr ging unser Flug von Beijing nach Qingdao. Doch schon das Einchecken stellte sich als Geduldsprobe heraus, denn von einem gesitteten Anstellen in einer Reihe scheinen Chinesen wenig zu halten. Nicht nur Reisende mit Handgepäck, sondern halbe Hausstände versuchten sich an der Warteschlange vorbei an den Schalter vorzudrängen. Wunderlich, denn unsere Reiseführer erzählten unisono, dass die innere Harmonie und deren Ungestörtheit den Chinesen über alles geht. So fällt beispielsweise derjenige, der offen und ehrlich sagt, dass er zu einer Zusammenkunft keine Lust hat, in Ungnade, stört er doch die Harmonie, während es völlig in Ordnung ist dem Treffen zuzusagen und dann auszubleiben. Dieser Eigenart sollten wir im Laufe der kommenden Woche noch häufiger begegnen, antworten Chinesen doch oftmals mit dem, was der Fragende hören möchte, oder zumindest mit dem was sie annehmen was der Fragende hören möchte. Somit gibt es bei der chinesischen Antwort ein gewisses Tolleranzspektrum, in welches die eigentliche Wahrheit nach belieben eingepasst werden kann.
Wie dem auch sei, wir beschlossen beim check-in unsere innere Harmonie nicht stören zu lassen und warteten geduldig bis wir an der Reihe waren.

Nach einer Stunde Flug landeten wir in Qingdao, einer Hafenstadt am gelben Meer. Hier wartete schon der Bus nach Weifang auf uns und, was noch wichtiger war – David Zheng, unser persönlicher Guide, Dolmetscher, Babbysitter und guter Geist für die nächsten Tage. Wie eingangs schon beschrieben, ist man in China bedingt durch die Sprachbarriere ziemlich hilflos. Diesen Umstand begegnen die Organisatoren des Drachenfestes mit einem englischsprachigen Guide, der jeder Landesdelegation für die Dauer des Aufenthaltes beigeordnet wird und für alle Belange der jeweiligen Delegation zuständig ist. Diese Guides fungieren quasi als Mädchen für alles, stehen den Delegationen rund um die Uhr zur Verfügung und bekommen für ihre Dienste nicht einen Euro Lohn. Es handelt sich nämlich um junge Menschen, die an der Universität von Weifang Englisch studieren und über ihre Arbeit als Guide Kontakt zu Ausländern knüpfen möchten. Wir jedenfalls zollen der Arbeit der Guides grössten Respekt und waren sehr glücklich David und seine ebenfalls englisch studierende Freundin im Laufe der Woche an unserer Seite gehabt zu haben – auch wenn er ab und an seinen Job als Babysitter ein wenig arg wörtlich genommen hat 🙂
Nach zweistündiger Busfahrt landeten wir dann endlich in Weifang. Einquartiert im 5-Sterne Hotel Fuhua ging es gleich wieder auf die Rolle. Der heutige Tag war zur Anreise bestimmt und ein weiteres Programm gab es nicht. So schnappten wir uns also David, bestiegen das nächste Taxi und fuhren in die Stadt.
Hier hatten wir Glück, denn wir trafen auf die Eröffnungsparade der Veranstaltung “Miss Kite – World”, einer Veranstaltung, die uns im Laufe der Woche noch häufiger unterkommen sollte. Neben dem Drachenfest wurde nämlich auch die Miss-Kite gekührt, weshalb Mädels aus der ganzen Welt nach Weifang kamen. In den Medien wiederum fanden die in- und ausländischen Schönheiten grosses Echo – streckenweise wurden gar die Drachen in den Hintergrund gedrückt und man sah allenthalben hüftschwingende Mädels.

Von soviel Anmutigkeit schier überwältigt, beschlossen wir wieder in bekanntes Terrain zu wechseln und besuchten das Drachenmuseum in Weifang. Wer einmal in die Nähe von Weifang kommt, sollte unbedingt dieses Museum besuchen, zeigt es doch einen umfassenden Querschnitt durch die jahrtausende alte Geschichte chinesischer Drachenbaukunst.

David wollte uns unbedingt davon überzeugen, dass wir doch im Drachenmuseum ein paar echte, chinesische Drachen kaufen sollten. Drachen-kaufen hatten wir sowieso vor aber im Museum? Das kam dann doch nicht in die Tüte, schliesslich befanden wir uns in der Heimatstadt von Pan Bohua und da wir ihn zum einen seit Dieppe 2002 nicht mehr gesehen haben, er zum anderen zwei Drachenläden in der Stadt unterhält, lag unser nächster Tagesordnungspunkt klar auf der Hand – ein Besuch bei Pan Bohua.
Drachenläden sind in China im übrigen winzige, kleine Schlauchläden, ca. drei Meter breit und fünf, sechs Meter tief. Auf diesen 15 – 20 Quadratmetern türmen sich Drachen, Drachen und nochmals Drachen. Das folgende Bild ist im übrigen ein 180-Grad Panorama in Pan Bohuas Laden – also nicht meinen, dass hier mit dem Raum verschwenderisch umgegangen wurde……

Auf dem heutigen Tagesplan stand am Mittag die Eröffnungszeremonie des Drachenfestes. Da der Vormittag frei war, nutzen wir die Zeit für eine Fahrt in die Stadt und trieben damit David wiederholt zur Verzweifelung. Die Guides sind nicht nur als Hilfen für die ausländischen Drachenflieger gedacht, die Guides sind auch verantwortlich für deren Sicherheit. Und da die Chinesen ein sehr pflichtbewusstes Volk sind, nahezu alle Anordnungen auch gewissenhaft durchführen, war David sehr auf unser Wohlbefinden bedacht. Wir wiederum hatten wenig Interesse an Davids touristischem Pflichtprogramm und wollten viel lieber eintauchen in das richtige, chinesische Leben, wollten viel lieber Orte kennenlernen, an denen sich kein Tourist verirrt und wo die Chinesen unter sich sind. Nach kurzer Verhandlung mit David einigten wir uns darauf einen Markt in Weifang zu besuchen. Die Diskussion mit unserem Guide hat sich gelohnt, denn der Markt war wirklich spannend – alles wurde hier angeboten von Gemüse über Gewürze bis hin zu lebenden Fisch und (ungekühltem) Fleisch. Um die Ecke mit dem Lebendgeflügel haben wir in SARS Zeiten dann doch einen weiten Bogen gemacht 🙂
Dennoch, der Besuch hat sich gelohnt und so exotisch wie der Markt auf uns wirkte, so exotisch wirkten wir Langnasen wohl auf die Marktleute, zumindest wurden wir ebenso genau beobachtet, wie wir interessiert dem Marktgeschen folgten.


Am Mittag warteten schon die Busse auf die Drachenflieger und mit Polizeieskorde ging es ca. 25km vor die Stadt wo auf grüner Wiese ein riesiges Stadion für Sport-, Drachen-, Partei- und sonstige Jubelfeste gebaut worden ist.

Hans Peter Böhme aus Berlin, der schon einige Male in Weifang war, sagte uns vor Abreise, dass wir eine ordentlich grosse Fahne unseres Heimatlandes mitbringen sollten. Es könne ja wohl nicht angehen, so HaPe, dass jedes Jahr die Amis mit der grössten Fahne ins Stadion traben würden. Nun, die Invasion der Amerikaner ist in diesem Jahr ausgeblieben und nur ein kleines Grüppchen Zappeldrachenflieger fand den Weg nach Weifang. So gesehen hatte das kleinste Land im Feld die dickste Fahne (und den dicksten Fahnenträger sowieso).

Pünktlich um 14 Uhr ging die Veranstaltung los – doch leider nicht für uns, denn wir standen erst einmal in brütender Hitze über eine Stunde hinter der Bühne und warteten auf unseren Auftritt. Dieser war dann kurz und knapp, einmal mit den Fahnen über die Bühne gerannt, während der Sprecher die einzelnen Delegationen willkommen hiess. Dann endlich konnten wir uns auf den (reservierten) Plätzen niederlassen und uns in Ruhe den Rest der Show gönnen. “Show” ist dabei wörtlich zu nehmen, denn auf welchem Drachenfest hat man schon einmal eine Eröffnungsfeier, die über vier Stunden geht und alles zeigt – von traditioneller chinesischer Folklore, über Gesang asiatischer Grössen bis hin zu der im Moment in Hongkong aktuellen Girlband.

Gegen 18 Uhr ging es dann, wiederum mit freundlicher Unterstützung der lokalen Polizeikräfte, die kurzerhand die Strassen zwischen Stadion und Hotel für unseren Buskonvoi sperrten, zurück.
Nach einer umfassenden Reinigungsaktion unter der Dusche, die chinesische Löserde setzt sich als gelber Staub wirklich in jeder Pore des Körpers fest, und dem Abendessen ging es zusammen mit unserem Guide nochmals in Richtung City. Wasserspiele zu klassischer Musik haben wir schon in einigen Städten gesehen, was wir dann aber in Weifang erleben und erfahren durften, übertraf unsere kühnsten Erwartungen. Vor dem Rathaus der Stadt Weifang ist ein riesiger Platz. Tagsüber ist es ein einfacher Platz, doch in der Nacht erweckt er zu neuem Leben. Dann nämlich geht unter Begleitung unterschiedlicher Musik die Wasser- und Lichtspiele los. Und das nicht etwa eng begrenzt in einer Ecke des Platzes, nein, auf dem ganzen Platz, der, ganz chinesischer Tradition folgend, mit einem Kilometer Länge und 800m Tiefe gigantische Ausmasse hat.

Zurück in der Hitze des Stadions. Heute war zwischen 10Uhr und 14 Uhr Drachenfliegen angesagt. Also wieder mit freundlicher Hilfe der örtlichen Polizei die 25km raus auf die “grüne” (gelbe) Wiese gefahren und Drachen aufgebaut.

Dabei gestalteten sich selbst einfache Arbeiten wie das Einschlagen des Bodenankers mitunter recht schwer, war man doch immer von einer Traube interessierter Chinesen umringt. Und wurden die eigenen Arbeiten nicht gerade genauestens vom Publikum betrachtet, hatte man garantiert gerade ein Mikrofon irgendeines Radiosenders vor der Nase, das Objektiv einer Fernsehkamera auf Augenhöhe oder irgend ein Chinese wollte ein Erinnungsfoto mit der wunderlichen Erscheinung aus Skandinavien.

Polizei und Militär gehören im übrigen zum täglichen Bild in den Strassen Chinas. Auf dem Drachenfest zeigten sie, dass Drachen auch auf sie einen gewissen Einfluss haben können und so wechselten sich diverse Mannschaften zum Gruppenfoto vor unserem Spike ab und einige Militärs griffen auch selbst zur Leine.

Irgendwo sollte im Laufe des Tages auch ein Wettbewerb stattfinden. Wo und wann dieser stattfand und um was es sich hierbei handelte, haben wir bis heute nicht so ganz herausgefunden. Es war auch wohl das eigentliche Drachenfliegen, das mehr im Mittelpunkt der Veranstaltung stand. Und wir selbst waren viel zu sehr damit beschäftigt Auskunft zu geben, den Fernsehsendern Rede und Antwort zu stehen, Fotowünschen nachzukommen und alle viertel Stunde die Kette der benachbarten koreanischen Delegation aus der Leine unseres Lifters zu knoten.

Spass hat es aber dennoch gemacht – zwar schweine-heiss, der Staub der Lösserde entwickelte sich auch heute als ernst zu nehmender Gegner (der Spike war nach zwei Stunden dermassen zu gesaut, dass wohl nur noch der Gartenschlauch in Dänemark helfen wird), aber der Wind war klasse und das Publikum einfach nur genial. 500.000 sollen es laut Veranstalter gewesen sein.
Leider fehlte uns gänzlich die Zeit über das Flugfeld zu streifen und zu schauen was die anderen Drachenflieger so treiben. Eva fand dann aber doch noch ein paar Minuten um sich umzusehen.

Am Nachmittag ging es dann wieder zurück in das Hotel. Den Spike, der seit diesem Tag jede Bewegung mit einer gelblichen Wolke chinesischen Lös-Staubes quittiert, in die am weitest entfernte Ecke des Hotelzimmers verbannt und selbst unter die Dusche gesprungen.
Am Abend dann stand der nächste Höhepunkt auf dem Programm – das Festbankett mit Preisverleihung des offenbar doch irgendwann, irgendwo durchgeführten Wettbewerbes. Das Bankett selbst entwickelte sich zu einer wundervollen, kulinarischen Reise durch die Küche Chinas. Bei Gang Nummer 12 haben wir aufgehört zu zählen, fertig waren wir aber keineswegs und probiert haben wir alles (OK, um ehrlich zu sein wurde am Durchgang Nummer 3, der chinesischen Delikatesse “gebratene Hühnerfüsse”, kurz und verschämt genagt um diese dann am Tellerand zu entsorgen).

Tja, und dann gab es also wirklich noch eine Preisverleihung für den Wettberwerb des Vormittages. Wir haben den ersten Preis für “best in show” gemacht, aber wofür wir nun wirklich diesen riesigen Pokal bekommen haben, wissen wir ehrlich gesagt nicht so recht. Irgendwie haben alle irgendwann, irgendwelche Preise überreicht bekommen, Hauptsache alle Delegationen waren am Ende ordentlich mit Pötten und Medallien bedacht. Dennoch, schön wars und Hans Peter, der Leiter der deutschen Delegation, und Ralf als Chef der dänischen Mini-Mannschaft freuten sich über ihre Pötte und Medallien und die Stimmung unter den Nationen war einfach nur klasse.

Übrigens: unser nimmer müde werdende Guide David kam am Abend noch mit einer anderen Überraschung. Spike war in einer landesdeckenden Zeitung abgebildet und darüber war David richtig stolz. Jetzt wäre unser Drachen berühmt,meinte David. Warum die Chinesen unserem Spike allerdings den Spitznamen “Deppchen aus dem All” gegeben haben, verstehen wir nicht so recht und irgendwie stört der Name wohl auch die innere Harmonie unseres Spikes……

Abends dann sind wir ziemlich müde ins Bett gefallen. Mehr oder minder gelangweilt zappen wir uns noch ein letztes Mal über die Kanäle und bleiben beim Fernsehprogramm der deutschen Welle hängen. Da befindet man sich also 8000km weit weg von Zentraleuropa, liegt in einem asaitischen Hotelbett und schaut sich einen, zugegeben interessanten, Bericht über den Dom im dänischen Roskilde an – putzig!

Am Vormittag stand Yang Jiabu auf dem Programm. Yang Jiabu ist eine kleine Stadt vor den Toren von Weifang. Hier wurden wir von Trommlern empfangen und anschliessend durch die Stadt geführt um traditionelles, chinesisches Handwerk kennen zu lernen. Klar, dass hier Drachen nicht fehlen durften, schliesslich ist Weifang die Stadt in China mit der längsten Drachenhistorie und wohl auch höchsten Dichte von Drachenbauern und Drachengeschäften. Aber auch andere Handwerkskunst wie Zeichnen und Stempeldruck wurden gezeigt.

Zurück im Hotel galt es sich frisch zu machen, denn es stand Mittagessen mit den Honorationen der Stadt sowie den Sponsoren auf dem Programm. Daneben galt es wie am Vortag Interviews zu geben, wobei uns diesmal die landesdeckende Fernsehanstalt CCTV am Wickel hatte. Das Essen selbst war wiederum hervorragend, zwar mit ein paar Gängen weniger, aber ganz bestimmt nicht weniger reichhaltig und interessant. Nur, liebe Chinesen, Ihr habt eine so tolle Weinproduktion in Eurem eigenen Land, warum kommt Ihr immer mit australischen Cabaret Souvignon an den Tisch?

Der Nachmittag war frei und wir nutzten die Zeit für eine Shopping-Tour in der Stadt. Für Ralf gab es tolle Drachenbücher und Eva deckte sich mit Seide ein. Was Eva sonst noch so anstellte, wird morgen verraten.

Eigentlich sollte an diesem Tag die grosse Parade durch die Strassen von Weifang stattfinden, dh. alle Drachenflieger sollten von Trommlern und Motivwagen begleitet durch die Stadt von Weifang ziehen. Doch leider machte das Wetter einen Strich durch die Rechnung, denn es war viel zu windig und die Organisatoren hatten Angst um ihre Motivwagen. So hatten wir also Zeit nochmals einen ausgiebigen Bummel durch Weifang zu machen. In einer der beiden Strassen Weifangs in denen es die meisten Drachenläden gibt, stiessen wir auf einen 2000qm grossen, privaten Garten, der ganz im traditionellen Stil aufgebaut ist. Eva war aus diesem Garten schon fast nicht mehr wegzubringen.

Nach diesem Ausflug in die Vergangenheit, gingen wir in Richtung Zentrum von Weifang. Weifang ist keineswegs eine kleine Stadt, vielmehr leben über 8 Millionen Menschen im Grossraum in und um Weifang. Das Zentrum selbst ist kontrastreich, so kontrastreich wie das ganze Land. Alt und neu geben sich die Hand, wobei wir den Eindruck gewinnen mussten, dass “neu” eindeutig die stärkere Hand ist. Was alt ist und nicht mehr gebraucht wird, fällt rücksichtslos der Abrissbirne zum Opfer. An dieser Stelle entsteht dann der nächste Glaspalast egal ob nun neuer Büroraum benötigt wird oder nicht. So ist eine Reise durch China auch ein Wandel durch verschiedene Welten – hier die hypermodernen Hotel- und Büropaläste, die an Dubai 2004 erinnern und einen Strassenblock weiter Bruchbuden aus den tiefsten Zeiten des osteuropäischen Sozialismus. Hier der Überfluss, reiche Chinesen in teuren Butiken und vor den Toren der Stadt Bauern, die ihre Felder noch mit dem Ochsenkarren bestellen und Frauen, die den Mörtel von Ziegelsteinen mit Hämmerchen abklopfen. Das durchschnittliche Einkommen eines chinesischen Arbeiters liegt im übrigen bei umgerechnet 50 Euro im Monat.

Wer meint, dass Drachenfliegen nur vor den Toren einer Stadt möglich ist, der irrt. In Weifang ist es keine Seltenheit, dass man mitten auf einem Platz, ja sogar mitten auf einer Strasse plötzlich auf Drachenflieger trifft. Nicht ohne Grund bezeichnet sich Weifang als Hauptstadt der Drachenflieger und wohl keine Stadt in der Welt blickt auf eine so lange Geschichte im Drachenbau und -flug zurück wie Weifang. So ist es kaum verwunderlich allenthalben Chinesen vertieft im Drachensteigen anzutreffen. Nicht schlecht geschaut haben wir allerdings, als wir mitten in der City von Weifang Centipeden in der Luft entdeckten.



Der krönende Abschluss des Tages aus Sicht von Eva war der neuerliche Besuch im Seidenviertel, indem sich Eva schon am Vortag mit Seidenstoffe eingedeckt hatte. Diesmal galt unser Besuch jedoch der Schneiderin, bei der sich Eva gestern ein klassisches, chinesisches Kleid samt einer Seidenjacke bestellt hatte. Die Schneiderin brachte das Wunder fertig beide Sachen innerhalb von nur 24 Stunden anzufertigen. Eva war überglücklich und die Schneiderin hoffentlich nicht zu müde wegen der eingelegten Nachtschicht.

Viel zu schnell ist die Woche in Weifang vorübergegangen und ehe wir uns umgesehen haben ist es schon wieder an der Zeit diese gastliche Stadt zu verlassen. Am Samstag geht es zunächst mit dem Auto zum Flughafen nach Qingdao. Hier ein plötzliches Erwachen was unsere Einkäufe in Weifang anbelangt. Dass wir den verlockenden Angeboten an Drachen, Drachenbüchern und Seide erlegen waren, haben wir ja schon bei unserer Abreise bemerkt, als wir noch schnell in die Stadt mussten um einen weiteren Koffer für unser zusätzliches Gepäck zu kaufen (um ehrlich zu sein benötigten wir den Koffer um unsere schöne, neue, grosse Centipede mit insgesamt 108 unterschiedlichen Scheiben, den sg. 108 Heros, ordentlich unterzubekommen). Die Waage am Check-In brachte es dann unwiderlegbar auf den Tisch, oder besser auf das Display: unser Gepäck hatte 48 kg Übergewicht – und das mit 10 kg Untergepäck beim Start in Kopenhagen vor nur einer Woche – autsch!
Die Dame am Schalter hatte aber ein Einsehen, schliesslich sind in China alle irgendwie mit dem Drachenfliegen verbandelt oder haben zumindest Verständnis für Drachenflieger – 10kg wurden uns in Rechnung gestellt, der Rest verschwand ohne weitere Diskussion im Laderaum des Fliegers nach Beijing.
Abends Ankunft in Beijing. Nach einem ausgiebigen Essen schnell im Bett verschwunden. Am nächsten Morgen früh aufgestanden und da unsere Maschine nach Kopenhagen erst Nachmittags ging, hatten wir noch Zeit um in Beijing den Platz des himmlischen Friedens zu besuchen.


Drachenfliegen darf natürlich auch an diesem Platz nicht zu kurz kommen und so gab es jede Menge chinesische Drachenflieger zu bestaunen. Ganz besonders gut hat uns eine Gruppe von Drachenfreunden gefallen, die bei Flaute ihre Adler Drachen über den ganzen Platz dirigierten.

Mit vielen neuen Eindrücken, Ideen und Gedanken, neuen Bekanntschaften und Freundschaften im Gepäck traten wir dann am Nachmittag schweren Herzens die Heimreise nach Dänemark an. Apropos Gepäck – fasziniert von den Adler Drachen auf dem Platz des himmlischen Friedens, hatten wir natürlich auch solch einen Drachen mit im Gepäck. Aus dem Check-In des Vortages gelernt, flirteten wir gleich mit der Dame am Schalter, erzählten ihr von den wundervollen Eindrücken in ihrem Land, den noch wundervolleren Drachen, etc. Die Dame lächelte wissend, klebte den roten Aufkleber “extra schwer” auf unsere Koffer und wünschte uns einen angenehmen Flug – kein Ton von den 48kg.


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