1998 war aus zweierlei Hinsicht ein besonderes Jahr. Zum einen wurde die Øresund Brücke eröffnet und damit halbierte sich die Fahrtzeit auf “unsere” Lieblingsinsel von einem auf den anderen Tag. Zum anderen waren in diesem Jahr ungemein viele Tetra Eder Drachen in der Luft über Fanø zu bestaunen und was daraus letztendlich resultierte, möchte dieser Artikel beleuchten.
98 also, das Jahr der Tetraeder. Kersch Wings brachte qualitativ hochwertige Verbinder auf den Markt, Hans Soyka versorgte die Drachenwelt mit einem Bauplan. Niemand ahnte, dass damit ein regelrechter Boom ausgelöst werden sollte, doch das Drachenfest auf der dänischen Nordseeinsel brachte es an den Tag: der Tetra war über Nacht zu einem Selbstläufer geworden und egal an welche Stelle des Strandes man sich auch aufhielt, immer war mindestens einer dieser wunderschönen Zellendrachen zu sehen.
So lag die Idee nahe im nächsten Jahr, also 1999, all diese Drachen einmal an einen Punkt zu sammeln. Gesagt getan, die Idee wurde im Internet zur Diskussion gestellt und aus der Usenetgruppe de.rec.drachen heraus kam der Vorschlag das Tetratreffen doch gleich noch mit einem Symposium zu erweitern. Das war doch einmal eine Ansage!
Gesagt, getan, 1999 lief zum ersten Mal das Internationale Tetrameeting Fanø vom Stapel. Bereits zum ersten Symposium fanden zahlreiche, interessante Ausstellungsstücke ihren Weg in die Aula der Schule in Nordby. Wie beispielsweise die fünf original Bell Zellen, die Scott Skinner eigens für diese Veranstaltung aus Kanada mitbrachte. Am nächsten Tag dann das gemeinsame Fliegen am Strand und auch hier wurden die Teilnehmer verwöhnt – strahlend blauer Himmel, Sonnenschein und ein gleichmäßiger, auflandiger Wind. Drachenfliegen kann so schön sein!
Das Interesse an dieser ersten Veranstaltung war groß und die Resonanz überwältigend. So lag es nahe, auch im Jahre 2000 etwas für die Freunde historischer Drachen auf die Beine zu stellen. Da Jahr für Jahr ein Tetra Meeting dann doch ein wenig langweilig geworden wäre, entschied man kurzerhand jedes Jahr ein neues Thema in den Mittelpunkt des Interesses zu rücken – die Fanø Classics waren geboren.
Fortan rückte ein bestimmter Drachen, ein interessanter Drachenbauer oder aber gleich eine ganze Sparte historischer Drachen in den Mittelpunkt des Interesses. Dabei lässt sich die Bilanz der Fanø Classics durchaus sehen – Jahr für Jahr waren mindestens ein Originaldrachen der jeweiligen Epoche in der Ausstellung, 26 Referenten hielten in den vergangenen 10 Jahre spannende Vorträge, Jahr für Jahr wurde ein gewisser Betrag für die Kinderhilfe von Kolumbien gespendet und jedes Jahr waren beim gemeinsamen Fliegen klassische Drachen des jeweiligen Themas in der Luft.
Der absolute Rekord an Zuschauerzahlen wurde übrigens 2003, zum 5 jährigen, aufgestellt. Cody war seinerzeit das Thema und Detlef Griese gelang das Kunststück einen Original Cody aus dem Jahre um 1900 herum auf die dänische Insel zu bringen. Der Zuschauer Ansturm war schließlich so groß, dass am Ende Tische und Stühle vor die Türe geräumt werden mussten um überhaupt Platz für alle Interessierten zu schaffen.
Im Folgejahr, wir schreiben nun das Jahr 2004, gilt es von einem weiteren Meilenstein der Fanø Classics zu berichten. War die Veranstaltung in den ersten fünf Jahren auf zwei Tage terminiert, wurde nun auf drei Tage ausgeweitet. Der Grund liegt im Rückzug der Drachen Foundation von der Workshoparbeit begründet. Hatte die Foundation durch viele Jahre hindurch die Drachenflieger mit wechselnden Workshops namhafter Drachenbauer und –designer verwöhnt, sprangen nun die Fanø Classics in diese Lücke und boten fortan an einem dritten Tag Workshops zu klassischen Drachen an.
So gingen die Jahre also ins Land und schneller als man denkt sind 10 Jahre mit spannenden Veranstaltungen vergangen.
2008 traf man sich somit zum 10. Male in der Schule von Nordby. „Manlifter” war das Thema zum runden Geburtstag und schon die Ausstellung der Drachen machte Lust auf mehr.
Besonderer Augenfang waren die großen Hargrave Drachen. Ursprünglich wurden deren vier auf einem Workshop gebaut, drei dieser schönen Exemplare fanden schließlich nach Fanø. Neben diesem Urgestein der Kastendrachen zogen zudem ein Lamson Dreidecker und eine Armada von Kusnetzow Drachen die Aufmerksamkeit des Publikums auf sich.
Bei den Vorträgen wurde wiederum auf die bewährte Methode der Qualität statt Quantität gesetzt. Mit einer Ausnahme war kein Vortrag länger als 20 Minuten. Den Anfang machte Ralf Dietrich mit einem kurzen Überblick über 10 Jahre Fanø Classics. Anschließend stieg Achim Kinter direkt in die Materie ein und referierte über die verschiedenen Manlifter Systeme der vergangenen Jahre. Abgerundet wurde dieser Vortrag durch Christian Kolz, der über die Manlifter Systeme der Neuzeit sprach. Apropos Manlifter der Neuzeit – diese müssen nicht unbedingt gigantische Ausmaße haben, wie Marcus Erl in seinem Vortrag zeigte. Marcus ist gerade dabei ein Modell – Manlifting System an den Himmel zu stellen und welche Höhen und Tiefen bei solch einem Projekt durchlebt werden, zeigt sein Vortrag anschaulich auf.
Neu auf der Bühne der Vortragenden war Jakob Vels aus Kopenhagen. Jakob referierte über das Leben und Wirken des dänischen Luftfahrtpioniers Ellehammer und zeichnete dabei deutlich die Diskrepanzen auf, die Historiker heute in den Aufzeichnungen der dänischen Ikone sehen. Im Anschluss lud Falk Hilsenbek zu einer Reise nach Frankreich ein. Falk, seines Zeichens großer Bewunderer des französischen Pioniers Lucien Frantzen, zeigte Probleme auf, welche die Franzosen beim Manliftig zu bewältigen hatten. Den Abschluss einer spannenden Vortragsreihe bildete der Vortrag von Detlef Griese. Detlef zeigte original Filmausschnitte von teils waghalsigen Manliftingversuchen.
Übrigens – einige der Vortragenden bemerkten zu Recht, dass „Manlifting” eigentlich der verkehrte Ausdruck ist, denn oftmals wurden Frauen und Kinder in die Körbe unter den Drachen gesetzt.
Am nächsten Tag dann setzten sich die Fanø Classics mit dem Workshop fort. Dieser lag auch in diesem Jahr in den bewehrten Händen von Michael von Rockenthien und Frank Schulz. Die beiden Drachenfreunde haben sich für das 10 jährige Jubiläum etwas ganz besonderes ausgedacht und boten den Teilnehmern den sogenannten Perkins Drachen als Bausatz an. Letzterer gilt als erster Manlifter Drachen in der Geschichte der USA. Gegen eine kleine Spende für die Kinderhilfe von Kolumbien konnten sich die Teilnehmer des Workshops zudem einen Stempel der Originalaufschrift des ursprünglichen Drachens auf das Segel machen. 160 Euro sind so zusätzlich in die Kassen der Kinderhilfe geflossen.
Der Samstag bildet traditionsgemäß den Abschluss der Classics mit dem gemeinsamen Fliegen. Irgendwie mussten die Veranstalter einen Draht „nach oben” gehabt haben, auf jeden Fall war das Wetter einfach nur perfekt. Strahlender Sonnenschein und ein auflandiger Wind versprachen ideales Flugwetter für Baumwolle. So war es nicht weiter verwunderlich, dass schon nach kurzer Zeit alle Formen von Manlifter Drachen den Himmel über Fanø Bad zierten. Insbesondere die im Tag zuvor im Workshop hergestellten Perkins Drachen weckten große Aufmerksamkeit, denn es ist schon ein toller Anblick 18 dieser wunderschönen Drachen gleichzeitig am blauen Himmel sehen zu können.
Mit einem glücklichen Lächeln aller Beteiligten neigten sich so ein wunderschöner Tag und eine hervorragend gelungene Veranstaltung Ihrem Ende entgegen.
Übrigens: quasi als Geburtstagsgeschenk kam ein Buch über die vergangenen 10 Jahre der Classics auf den Markt. Das 230 Seiten umfassende Werk in A4 zeigt zum einen auf mehr als 120 Farbseiten Bilder der vergangenen Veranstaltungen. Der zweite Teil bietet Platz für Baupläne, Skizzen und Patente der behandelten Drachen. Erhältlich ist das Buch „10 Jahre Fanø Classics” auf Amazon und im Buchhandel.